Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte von Darlehensnehmerinnen und Darlehensnehmern erheblich gestärkt. Denn mit seinem Urteil vom 26. März 2020 erklärte er die sogenannte Widerrufsinformation in bestimmten Kreditverträgen für unvereinbar mit europäischem Recht. Verbraucherinnen und Verbraucher haben im Falle einer fehlerhaften Widerrufsinformationen grundsätzlich auch noch Jahre nach dem Vertragsschluss die Möglichkeit, sich von einem teuren Kredit zu lösen.
Millionen Kredite betroffen
Von der Entscheidung sind potenziell fast 20 Millionen Autokredit- und Leasingverträge mit einem Volumen von 340 Milliarden Euro sowie Baukredite für private Haushalte mit einer Darlehenssumme von insgesamt 1,2 Billionen Euro betroffen. Sie betrifft insbesondere folgende Formulierung, die sich in zahlreichen Darlehensverträgen aus den Jahren 2010 bis 2016 wiederfindet:
„Die Frist beginnt nach Vertragsschluss, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, (…) zum Nettodarlehensbetrag, (…) zur Vertragslaufzeit (…) erhalten hat“.
Diese Klausel verstößt nach Auffassung des EuGH gegen das europäische Verbraucherschutzrecht. Denn Verbraucherkreditverträge müssen in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben. Andernfalls würde die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt.
„Kaskadenverweis“ intransparent
Begründet wird dies damit, dass diese Klausel auf eine Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verweist, die ihrerseits auf eine weitere Vorschrift im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) Bezug nimmt. In dieser finden sich dann wiederum Verweise auf andere zivilrechtliche Regelungen. Diese Technik nennen Juristen einen „Kaskadenverweis“.
Nach Auffassung des EuGH können Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Fall weder den Umfang ihrer vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist zu laufen begonnen hat.
Klausel widerspricht europäischem Verbraucherrecht
Der EuGH hat daher festgestellt, dass die betreffende Klausel nicht dem Erfordernis genügt, Verbraucherinnen und Verbraucher in klarer und prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Mit dieser Entscheidung stellt sich der EuGH ausdrücklich in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Denn dieser hatte noch in seinem Urteil vom 22. November 2016 entschieden, dass diese Form der Widerrufsinformation verbraucherrechtskonform sei.
Lösen Sie sich von einem teuren Kredit!
Dennoch sind durch die Entscheidung des EuGH die rechtlichen Aussichten für Verbraucherinnen und Verbraucher, sich per Widerruf von einem teuren Kredit, etwa zur Finanzierung eines PKW oder einer Immobilie, zu lösen, erheblich gestiegen. Auch, wenn sich einzelne Banken wohl weiter auf die Rechtsprechung des BGH berufen werden, dürften sich gerade die Chancen einer außergerichtlichen Einigung mit den betroffenen Banken, zum Beispiel auf eine Reduzierung des Zinssatzes oder einen Verzicht auf eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung im Falle der Rückführung des Darlehens, wesentlich erhöht haben.
Gerne stehe ich auch Ihnen zur Seite!
Seit Jahren berate und vertrete ich als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht zahlreiche Mandantinnen und Mandanten zu Fragen der Widerrufbarkeit von Verbraucherdarlehensverträgen. Kontaktieren Sie mich einfach telefonisch oder per E‑Mail.